Heute ist der Tag der Glückwünsche, denn zwei Tage nach Tag X im Schlossgarten muss man die einfach mal loswerden.
Mein erster Glückwunsch geht an die Organisatoren des Widerstands gegen Stuttgart 21. Ihr seid endlich dort angekommen wo ihr hin wolltet, habt Eure Bilder bekommen und die monatelange Aufwiegelei hat sogar dazu geführt, dass Schüler zwischen die „Fronten“ geraten sind. Wenn man einfach lange genug behauptet, dass Recht Unrecht sei, glauben es dann die Leute eben. Ich bin entsetzt über Euer Verständnis von Demokratie. Und nach der gestrigen Kundgebung im Park bin ich noch entsetzter: Ich kann zwar Eure Wut verstehen, aber statt zu beschwichtigen, gießt Ihr weiter Öl ins Feuer. Nun hat sich die Diskussion endgültig von der Sache getrennt und ist zur ideologischen Schlammschlacht im Park geworden.
Nicht weniger herzlich ist mein Glückwunsch an diejenigen, die den Polizeieinsatz am Donnerstag zu verantworten haben. Das Recht durchzusetzen ist das Eine und mit meiner Auffassung von Demokratie halte ich das auch für richtig, aber spätestens dann, wenn ich erfahre, dass eine Schüler-Demonstration parallel zu den geplanten Aktionen im Park stattfindet, muss ich mein Vorhaben überdenken, unabhängig von der Strategie und Logistik. Ich dachte Sie haben über die Monate hinweg gelernt, dass wir im Zeitalter der Medien angelangt sind und dass ein Parkschützer-Alarm bei medienaffinen Schülern natürlich dazu führt, dass diese in den Park strömen. So was muss bekannt sein und schon aus menschlicher Sicht berücksichtigt werden. Ich bedanke mich also sehr herzlich dafür, dass ich als Befürworter von Stuttgart 21 nun zum Synonym für den Einsatz von Wasserwerfern, Gewaltanwendung und Pfeffergas gegen Jugendliche geworden bin.
Wenn wir gerade beim Thema sind, habe ich auch noch einen Glückwunsch an Herrn Innenminister Heribert Rech. Bei Ihrem Auftritt im Brennpunkt am Freitag sagen Sie doch tatsächlich, dass die Wahl der Mittel bei einem Polizeieinsatz beim Einsatzleiter liege. Das mag formal richtig sein, aber aus moralischer Sicht kann man erwarten, dass Sie diese Verantwortung zumindest teilweise übernehmen. Denn Verantwortung zu übernehmen hat nicht unmittelbar etwas mit Rücktritt zu tun, sondern mit Rückgrat – und das kann man zeigen. Ich muss einmal ausfällig werden, und Ihnen auf schwäbisch sagen: Herr Minister, Sie sind ein Entenklemmer.
Ein weiterer Glückwunsch geht an die Kommunikationsberater der Verantwortlichen, die allesamt auf Ihre Honorare verzichten sollten, denn das ist tatsächlich eine Verschwendung von Steuergeldern. Ich dachte Sie hätten verstanden, wie sensibel die ganze Angelegenheit ist. Scheinbar nicht, denn nun wurde aus einem kommunikativen Fiasko eine Katastrophe und ihre Auftraggeber winken weiterhin nur aus dem Fernsehen der Bevölkerung zu. Viel Glück bei der Rettung.
Und dann habe ich noch einen Glückwunsch für Cem Özdemir, der auch in so einer Situation den Wahlkampf nicht vergisst und sich zu einem Satz wie „Herr Mappus wollte Blut sehen“ hinreißen lässt. Sie haben sich als glaubwürdiger Politiker ein zweites Mal selbst disqualifiziert. Entschuldigung hin oder her.
Ein letzter Glückwunsch geht an die Eltern, die Ihre Kindern zur Demo in den Park mitgenommen haben. Ich habe ein Foto von einem kleinen Mädchen gesehen, das in eine große Regenjacke eingepackt mit einer Wasser-Pumpgun auf die Polizisten schießt. Da falle ich als Vater vom Glauben ab – wie verantwortungslos und realitätsfremd, nein wie dumm, kann man denn sein.
Es scheint als habe die Stadt den Verstand verloren. Wir müssen dringend zum Dialog zurückfinden und dazu ist es erforderlich, dass beide Seiten endlich aufeinander zugehen.
Ich für meinen Teil werde heute das einzig Richtige tun: Ich werde diese Stadt verlassen und bei bayrischem Bier ein Wochenende lang ein desillusionierter Kopfschüttler sein, um dann in der kommenden Woche wieder durch die Stadt zu joggen. Weil ich nach wie vor davon überzeugt bin, dass Stuttgart 21 und unsere Demokratie Sinn machen. In diesem Sinne Prosit!